Sonntag, 12.06.2022 - Sonntag, 03.07.2022
Als Vorbote auf das Kunst- und Kulturfestival in Diessenhofen wird bereits am nächsten Sonntag die Ausstellung von Andrea Buck in der Tigerfinklifabrik eröffnet. Die ortsansässige Textildesignerin hat in den letzten Jahren vermehrt Kunstprojekte realisiert, so in der Kunsthalle Memmingen oder im Bildungszentrum für Erwachsene in Zürich, im Museum kunst+wissen, aber auch während den jährlichen offenen Ateliers in Diessenhofen. Stets waren den künstlerischen Prozessen und Werken Themen und Techniken aus ihrem angestammten Arbeitsfeld zugrunde gelegt, also Muster, Rapporte, repetitive Fragmente oder textile Kontexte.
In der neuen Ausstellung zeigt sie ihr Können im Aquarellieren, die sie auch für viele Muster in der Bekleidungsindustrie nutzt. In diesem Beruf ist sie nur noch eine der wenigen, die all die händischen Techniken mit Stiften beherrschen und erst mit diesen Rohstoffen digitale Muster erarbeiten. Viele ihrer Konkurrenten nutzen nur die Grafikprogramme von Computern, womit die Ergebnisse immer irgendwie maschinell aussehen. Diese Zartheit aufgrund der persönlichen Handschrift ist auch in ihrem aktuellen Langzeitprojekt sichtbar. Bereits vor dem Lockdown hatte sie angefangen, jeden Tag ein Gesicht zu malen, schnell, flüchtig, skizzenhaft. Diese verfliessende Machart erwartet nicht nur Spontaneität, sondern zwingt auch zu einem sicheren Strich, denn in der wässrigen Technik kann man jeweils schlecht radieren oder verbessern. Sie hat sich jedoch über ein ganzes Schaltjahr (2020) stets nur ein einziges Blatt pro Tag gegönnt; Risiko und ein gewisses Scheitern gehörten also zum Arbeitsprozess.
Verwässerte Augenblicke
Mit der täglichen Übung wird auch Lockerheit erzeugt und à jour gehalten, so wie jemand, der mit seinem Instrument auf Konzertniveau übt, um die Geschmeidigkeit nicht zu verlieren. Und was über ein Jahr Tag für Tag ohne «Abschiffer» im Format A5 entstanden ist, ist ein konzeptionelles Porträtalbum, das seines gleichen sucht und sich in Beschränkung und Verdichtung abhebt vom Kunsteinerlei.
Wenn nun aus 368 Bildern Menschen jeder Couleur blicken, so stellt sich die Frage, was es mit dem fremden Gesicht auf sich hat. Was sagt uns der Transfer von einem Zeitungsbild mit Gebrauchswert ins künstlerische Aquarell? Wie verändert sich der physische Ausdruck aus der Realität oder von einer Fotografie hin zur künstlerischen Umsetzung? Welche Gesichter stehen im Fokus? Was ist männlich, was weiblich? Das Gesicht ist ohnehin eine wichtige Projektionsfläche; das Leben schlägt sich unweigerlich im Gesicht nieder. Leidenschaften und psychische Verfassungen sind sehr schnell im Gesicht sichtbar. Im Menschenbild ist nicht nur die Identität sichtbar, sondern auch deren unmittelbare Gemütszustand.
Die Ausstellung wird eröffnet am nächsten Sonntag, 12. Juni, 14:00, Tigerfinklifabrik, Diessenhofen. Zugegen sein wird auch der Kunsthistoriker und Verlagsmanager Martin Thierer aus München, der für die zur Ausstellung erscheinende Publikation ein Essay verfasst hat.
Die Ausstellung ist bis zum 3. Juli geöffnet, jeweils Donnerstag bis Sonntag, 14:00 bis 18:00.