Samstag, 08.09.2018 - Sonntag, 28.10.2018
Arbeiten aus dem Zahlentagebuch
Ausstellung
„Numberdiary“, Nummern-Tagebuch, nennt Kaltenmark seine neue Werkserie, an der er seit Oktober 2017 arbeitet. In ihr verbindet er seine so genannten Pigmentdrucktransfers, die er seit einigen Jahren herstellt, mit den Zahlen aus seinem Notizbuch. In Eitempera, dem klassischsten Malmittel, schreibt er sie auf die Bilder, Reihe für Reihe. Wofür sie stehen, ist für einen Außenstehenden in den meisten Fällen unergründlich: vielleicht für die Kilometer, die Kaltenmark gefahren ist, oder eine Telefonnummer. Hinzu kommt eine zweite Schwierigkeit: Wie im Notizbuch scheidet auf den Bildern kein Punkt, kein Komma und keine Leerstelle die Datensätze voneinander. „Jede Zahl, die als weitere Information hinzukommt, löst die Information der vorhergehenden Zahlen auf“, sagt Kaltenmark. Das Ergebnis ist eine Datenflut, die als Analogie auf den Informationsaustausch in der vernetzten Welt verstanden werden kann.
Als Betrachter eines solchen Bildes hat man alle Informationen vor sich und ist doch auf Mutmaßungen angewiesen. Wenn Zahlen nun aber interpretiert werden müssen, heißt das, dass von außen Bedeutungen an sie herangetragen werden: „Ein Außenstehender liest aus den Zahlen etwas ganz anderes als ich. Damit werden meine Zahlen zu seinen Zahlen.“ Eine absurde Konstellation, bei der sich der Künstler in der „Weltsprache“ der Zahl völlig offenbart, nur um in der Konsequenz umso gründlicher im Dunkeln zu bleiben.
Auch Kaltenmark selbst kann die meisten Zahlen nicht mehr nachvollziehen. „Ich bin auch nicht viel schlauer als jeder, der sich das ansieht“, gesteht er. „Sicher ist nur, dass die Zahlen richtig sind. So wie sie da stehen, haben sie für mich eine Rolle gespielt.“ Es bleibt bei der Suche nach dem Maßstab, der den Zahlen ihren Sinn wiedergibt, und der mit jeder neu hinzugefügten Zahl doch nur ausgelöscht wird. Kaltenmark notiert sein Leben ähnlich wie ein Kartograph, der die Welt ohne festes Längenmaß vermisst. Harald Ruppert (Auszüge)